Forschungsprojekt zum Thema „Mittelstädte als Stabilisatoren ländlich-peripherer Räume“
Auftraggeber
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)
Laufzeit
06/2014 – 07/2018
Projektbeschreibung
Innovationen und aktuelle Trendeinflüsse, wie beispielsweise Internationalisierung und Globalisierung oder sozioökonomische Veränderungsprozesse, stellen gegenwärtig bereits diskutierte Herausforderungen für Städte und Regionen dar, deren Konsequenzen allerdings in ihrer Gesamtheit für die Zukunft nicht eindeutig abschätzbar sind. Klar ist hingegen, dass diese zu stetigen Anpassungsbedarfen von Städten und Regionen und letztlich zu grundlegenden Transformationsprozessen im Bereich der Stadt- und Regionalentwicklung führen.
Die Sicherung einer flächendeckenden Daseinsvorsorge und der Erhalt gleichwertiger Lebensverhältnisse in allen Teilräumen gelten seit jeher als zentraler Leitgedanke der bundesdeutschen Raumordnung und scheinen gegenwärtig bedeutender als je zuvor. Städtisch und ländlich geprägte Räume sollen gleichermaßen gut und bestmöglich entwickelt sein. Der in der heutigen bundesdeutschen Raumordnung seit Jahrzehnten bewährte und seitens Wissenschaft und Praxis zugleich vielfach kritisierte Konzeptansatz der Zentralen Orte gilt dabei als eine der tragenden Säulen der bundesdeutschen Landes- und Regionalplanung im Hinblick auf die Sicherung eines ausgeglichenen und polyzentrischen Städtesystems sowie hinsichtlich einer neuen Beziehung zwischen Stadt und Land. Allerdings haben insbesondere ländlich-periphere Räume aufgrund ihrer geringen Besiedlungsdichte und ihrer Lage eine erhöhte Potenzialschwäche zur Folge.
Ein hochaktuelles Forschungsfeld umfassen damit Mittelstädte in ländlich-peripheren Räumen und ihr Bedeutungsgrad als Motoren regionaler Entwicklung. Diese Thematik wurde im Rahmen eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Forschungsprojektes am Lehrstuhl „Regionalentwicklung und Raumordnung“ der Technischen Universität Kaiserslautern vertieft. Ziel des Projektes ist eine Untersuchung der Stabilisierungs- und Ankerfunktion von Mittelstädten in und für ländlich-periphere Räume sowie die Aufrechterhaltung ihrer Rolle unter dem Einfluss der verschiedenen Dimensionen des sozioökonomischen Strukturwandels.
Das Projekt untergliedert sich hierbei in drei wesentliche Forschungskomponenten. Die erste Phase leitet zum einen eine umfassende definitorische Einordnung des Stabilisierungsbegriffs in den Regionalwissenschaften ab. Eng verknüpft ist damit weiterhin eine Analyse des Stabilisierungsgedankens beziehungsweise der Stabilisierungsmechanismen bestehender landes- und regionalplanerischer sowie regionalökonomischer Instrumente, Handlungsansätze und -strategien, die zu einer dauerhaften Stabilisierung von Regionen beitragen können. Zum anderen erfolgen die Charakterisierung von Mittelstädten und ihre Bedeutung als regionale Ankerpunkte in und für ländlich-periphere Räume sowie die Analyse ihres Gefährdungspotenzials durch sozioökonomische Transformationsprozesse. Hierbei sind zunächst die strukturellen und funktionalen Merkmale des Stadttypus Mittelstadt bestimmt und der Raumtypus des ländlich-peripheren Raumes in definitorischer und analytischer Hinsicht gefasst und abgegrenzt. Ein nachfolgender Überblick über die sich abspielenden sozioökonomischen Basistrends in ländlich-peripher gelegenen Mittelstädten dient einer Darlegung sich derzeitig und perspektivisch abspielender Veränderungsprozesse sowie eine daran anschließende Analyse ihrer Wirkungen auf die regionale Stabilisierungsfunktion der Städte. Die stabilisierenden Aufgaben und Funktionen der Mittelstädte sind dabei im Lichte einzelner Strukturbereiche umfassend untersucht, um ihre Ankerfunktionen für das Umland entsprechend der einzelnen Bereiche ableiten zu können.
Städte und ihr Umland stehen in einer engen Korrelation zueinander. Ländliche Räume benötigen funktionierende urbane Zentren und diese stehen wiederum in Abhängigkeit einer gut entwickelten Region. Seitens Wissenschaft und Politik wird Mittelstädten die Funktion als Knoten der Versorgung und des Wirtschaftens konstatiert. Während Mittelstädten in Großstadtverflechtungsräumen dabei allerdings vorrangig eine Entlastungsfunktion zugeschrieben ist, ist Mittelstädten ländlicher Regionen die Rolle als Versorgungs- und Wirtschaftszentrum für das Umland zugewiesen. Sie gelten als wichtige wirtschaftliche soziale und kulturelle Zentren für die regionale Sicherung der öffentlichen Daseinsvorsorge. Die Forschungsergebnisse konstatieren Mittelstädten ländlich,-peripherer Regionen ebendiese Ankerfunktion für ihre Region. Generell erschöpft sich die Funktion dieser Mittelstädte nicht in der Infrastrukturversorgung für die eigene und umliegende Bevölkerung. Ihrer Gesamtheit ist gemeinsam, dass sie Versorgungs-, Arbeitsmarkt-, Bildungs- und Wohnzentralitäten für ihren jeweiligen Verflechtungsbereich aufweisen. Doch abhängig ihrer jeweiligen Potenziale als auch ihres funktionalen Spezialisierungs- und überregionalen Bekanntheitsgrades variiert die Zentralitätsfunktion der einzelnen Mittelstädte in ihrer Intensität beziehungsweise Ausprägung. Und insbesondere im Hinblick auf ihre sozioökonomischen Entwicklungsmuster stellen sie keine in sich homogene Gruppe dar. Dies belegt zugleich, dass periphere Regionen nicht per se mit dem sozialräumlichen Prozessbegriff Peripherisierung gleichzusetzen sind. Der Begriff „peripher“ definiert unter dem lagebezogenen Aspekt Räume mit einer geringen Siedlungsdichte und ungünstiger Erreichbarkeit von Großstadtregionen. „Peripherisierung“ beschreibt hingegen den Prozess einer graduellen Schwächung oder Abkopplung von Räumen hinsichtlich vorherrschender sozioökonomischer, kultureller und politischer Entwicklungsdynamiken. Neben dieser Ausdifferenzierung von Räumen mit Entwicklungsengpässen und Regionen mit Wachstumspotential sind weiterhin auch konträre Entwicklungsstrategien zur räumlichen Entwicklung insbesondere in Räumen mit Entwicklungsdefiziten maßgeblich für den zukünftigen Entwicklungsverlauf.
Resultierend aus den vorangegangenen Arbeitsschritten wird als zweite Komponente anhand fünf ausgewählter Untersuchungsräume entsprechend das breite Spektrum unterschiedlicher Entwicklungspfade in der Praxis unter Wirkungen des sozioökonomischen Strukturwandels vertiefend untersucht. Neben der Erfassung der sozioökonomischen Trendverläufe der ausgewählten Städte und ihrem Umland sowie ihrer Ankerfunktion liegt der Fokus der empirischen Erhebung auf der Analyse der Wirkungen des sozioökonomischen Strukturwandels in Bezug auf die regionale Stabilisierungsfunktion von Mittelstädten. Weiterhin von zentraler Bedeutung ist die Frage nach der Anpassungsfähigkeit an besagte Wandelprozesse durch vorausschauende Strategien auf kommunaler, regionaler und landesplanerischer Ebene:
- Welche zentrale Ausstrahlungskraft besitzen die ausgewählten Mittelstädte ländlich, peripherer Räume als regionale Arbeitsmarkt- und Versorgungsschwerpunkte für das Umland und inwieweit tragen diese als stabilisierende Funktion im Sinne von „Ankerstädten“ bei?
- Inwieweit beeinflussen sozioökonomische Strukturwandelprozesse die Stabilisierungs- und Ankerfunktion von ausgewählten Mittelstädten in ländlich, peripheren Räumen und welche Gefährdungs- und Konfliktpotenziale ergeben sich hieraus?
- Welche zukunftsfähigen Handlungsstrategien können zu einer dauerhaften Stabilisierung von Räumen beitragen?
In der dritten Bearbeitungsphase werden, basierend auf einer Bewertung der derzeitigen und perspektivischen mittelstädtischen Stabilisierungsfunktion sowie auf den im Rahmen der Untersuchungsstädte festgestellten Wirkungszusammenhängen, zunächst Handlungserfordernisse hinsichtlich des Umgangs mit den sich abspielenden Veränderungsprozessen ermittelt. Schlussfolgernd werden Entwicklungsstrategien für die Sicherung und Stärkung der Rolle von Mittelstädten als Versorgungs- und Arbeitsmarktschwerpunkte für das Umland abgeleitet und deren Potenziale und Grenzen hinsichtlich einer Beitragsleistung für regionale Entwicklungsdynamiken dargestellt.
Die Ergebnisse des Projektes sind in der Publikation der ARL-Schriftenreihe Band 20 veröffentlicht.
Ansprechpartner
Univ.-Prof. Dr. habil. Gabi Troeger-Weiß
Dr. Elke Ries