Standortverhalten deutscher Medienunternehmen des Rundfunksektors

Die Kommunikationsbranche, insbesondere die Medienbranche, ist angesichts ihres Marktvolumens im Vergleich zu anderen gewerblichen Sektoren wie etwa der metallverarbeitenden oder der chemischen Industrie eher ein kleiner Wirtschaftszweig. Was allerdings ihre Dynamik und ihre Marktchancen betrifft, scheint sie jedoch alle anderen zu übertreffen. Einerseits ist es diese Marktdynamik, andererseits sind es die besonderen marktstrukturellen Eigenheiten, die dieser Branche einen besonderen Charakter verleihen. Medien erfüllen unterschiedliche, gelegentlich auch konfliktäre Marktfunktionen. Sie sind Werbeträger für die gewerbliche Wirtschaft und Konsumgut für Leser, Hörer oder Seher in einem.

Unerklärlicherweise steht der Attraktivität der Medien als betriebswirtschaftliches oder gar als raumwirtschaftliches Erkenntnisobjekt, das mangelnde Interesse der betriebswirtschaftlichen und raumwissenschaftlichen, geographischen Forschung an diesem gegenüber. So existiert zum Beispiel weder eine „Betriebswirtschaftslehre der Medien“, noch sind standorttheoretische Aufsätze und Veröffentlichungen über Medienunternehmen auszumachen. Diese Lücke zumindest ansatzweise zu schließen, ist nun das wesentliche Anliegen der zu erstellenden Arbeit.

Die deutsche Medienbranche befindet sich in einer Phase grundlegender Veränderungen. Die derzeitige Marktkonsolidierung und Medienflut ist begleitet von einer bereits seit mehreren Jahren festzustellenden Unternehmenskonzentration. Meldungen über Unternehmenszusammenschlüsse sind mittlerweile an der Tagesordnung. Mit dem Zusammenschluss der internationalen „Medienmultis“ Disney und Capital Cities/ABC sowie Timer Warner und Turner Boradcasting oder CBS und Westinghouse im Jahr 1995, wurde die Konzentrationswelle innerhalb der Kommunikationsbranche ausgelöst und durch die hohen Gewinnerwartungen der neuen Konzerne noch angeheizt.

An die Stelle überschaubarer Einzelunternehmen sind heute also Medienmultis getreten, deren vielfältige Beteiligungen zu kaum noch durchschaubaren internationalen und intermediären Unternehmensverflechtungen geführt haben. Dass dieser Trend sich in der Zukunft eher noch verstärken wird, lassen technische Entwicklungen im Bereich der Datenübermittlung vermuten. Neuartige Verfahren wie die digitale Kompression, deren Anwendung im Kabelnetz die Übertragung von bis zu 500 Programmen möglich machen, erschließen völlig neue Dimensionen in der Individual- und Massenkommunikation. Diese Chancen zu nutzen ist jedoch nur Großunternehmen möglich, die sowohl den erheblichen Kapitaleinsatz leisten können als auch über entsprechendes Know How verfügen.

Obwohl diese Entwicklungen einen fundamentalen Wandel in den Markt- und Unternehmensstrukturen andeuten, ist das Interesse an den “Medien“ in den Wirtschafts- und Raumwissenschaften bislang sehr asymmetrisch ausgeprägt. So erscheinen regelmäßig volkswirtschaftliche Analysen zu Wettbewerb und Konzentration in der Medienbranche. Zahlreich sind auch die juristischen Studien zu den rechtlichen Rahmenbedingungen der Medienproduktion, hier vor allem zu Fragen der Aufdeckung und Eindämmung wettbewerbs-beschränkender Maßnahmen und die soziologischen, politik- und publizistikwissenschaftlichen Analysen zu Voraussetzungen, Funktionsweisen und Wirkungen der Medien. Betriebswirtschaftliche Studien finden sich dagegen nur noch sporadisch. Die wenigen vorliegenden Arbeiten beschäftigen sich zudem entweder mit spezialisierten Einzelfragen wie etwa den Auswirkungen technologischen Wandels auf die Arbeitsplatzgestaltung in Redaktionen, der effizienten Gestaltung von Rundfunkorganisationen oder von Vertriebsprozessen. Oder aber die Studien behandeln nur Branchenteilmärkte, wobei die intermediären Verflechtungen gerade allenfalls noch am Rande ins Blickfeld geraden. Untersuchungen zum Standortverhalten von Medienunternehmen gibt es bis heute nicht. Jedoch erscheint dies gerade in den letzen Monaten von immer größerer Bedeutung zu werden.

So stehen sich beispielsweise im deutschen TV-Markt inzwischen zwei große Gruppen gegenüber. Auf der einen Seite die zum Berteslmann-Konzern gehörende RTL Group mit den Sendern RTL, RTL II, Super RTL und VOX und n-tv sowie die Kirch-Gruppe mit den Sendern Pro7, Kabel 1, Sat 1, N 24 und Neun Live. Auf den ersten Blick scheinen auch die Standortverhalten der Sender klar definierbar zu sein. Die ProSiebenGruppe bündelt ihre Aktivitäten in München, während der Bertelsmann-Konzern seine Sender im Raum Köln ansiedelt. Der Schein trügt jedoch. So verlegte die ProSieben-Gruppe den Nachrichtenkanal N 24 mit Sendersitz und Studios nach Berlin, während der Sendersitz von Sat 1 zwar in Berlin bleibt, jedoch das operative Abwicklungsgeschäft in die Zentrale nach München verlagert wird. Auch der Bertelsmannsender RTL II hat seinen Sitz und die operative Abwicklung in München. Jedoch war die Verlegung des Sendersitzes von Köln nach München eine reine strategische Überlegung, denn nur unter dieser Bedingung war die Bayerische Landesmedienzentrale bereit den Sender auch in Bayern Frequenzen zuzuteilen.

Hier zeigt sich auch der große Einfluss der Politik auf die Medienunternehmen, die einerseits mit den entsprechenden Genehmigungsverfahren zur Lizenzerteilung einen nicht unerheblichen Faktor zur Standortbestimmung der Sender beitragen.

Außerdem spielt im Standortverhalten auch die Einsicht in die Interdependenzen von Unternehmen auf vor- und nachgeordnete Produktionsebenen eine maßgebliche Rolle. Man kann sich nicht damit begnügen, die Programmveranstalter zu untersuchen, sondern muss zumindest auch über Programmzulieferer Erkenntnisse gewinnen und möglichst noch über sie hinaus, bei anderen Dienstleistern der Kommunikationsbranche ermitteln.

Ansprechpartner

Prof. Dr. Gabi Troeger-Weiß
Dipl.-Geogr. Matthias Fischer