Grenzüberschreitende Zusammenarbeit in Raumordnung, -planung und -entwicklung ist mit Herausforderungen konfrontiert, die u.a. in unterschiedlichen administrativen Systemen, Sprachbarrieren und infrastrukturellen Ausstattungen liegen. Der Grenzraum Brandenburg – Lubuskie ist historisch bedingt durch eine besonders starke Grenze geprägt, die erst mit dem EU-Beitritt von Polen im Jahr 2004 und den damit verbundenen Chancen zur Zusammenarbeit und der Inanspruchnahme von Fördermitteln zunehmend durchlässiger geworden ist. Jedoch machen fortschreitende Veränderungsprozesse wie wirtschaftlicher und demografischer Wandel oder Digitalisierung nicht vor nationalen Grenzen halt und erfordern für spezifische planerische Aufgaben gemeinschaftliche Strategien, gerade in eher strukturschwachen Grenzräumen. Zu diesen planerischen Aufgaben zählt die Daseinsvorsorge (services of general interest) mit einer Gewährleistung des gleichwertigen Zugangs zu Infrastrukturen und Dienstleistungen als europäische Zielsetzung, die im Zuge demografischer Veränderungsprozesse in eher ländlich geprägten Grenzräumen unter besonderem Druck steht. Diese Herausforderung wird auch in der aktuellen Förderperiode der europäischen Kohäsionspolitik aufgegriffen, die beispielsweise Ansätze für „joint public services“ in Grenzräumen finanziell unterstützen möchte.
Vor diesem Hintergrund war das Ziel des Bachelorprojektes, die Erarbeitung eines Konzeptes zur grenzüberschreitenden Entwicklung der Daseinsvorsorge für einen Teil des Grenzraums Brandenburg-Lubuskie. Die acht Studierenden wählten als Untersuchungsraum die Euroregion Pro Europa Viadrina sowie als Schwerpunktthema der Daseinsvorsorge die Mobilität. Auf deutscher Seite liegen die Landkreise Märkisch-Oderland und Oder-Spree sowie die kreisfreie Stadt Frankfurt (Oder) darin. Den polnischen Teil bilden die fünf Powiate Slubicki, Sulencinksi, Miedzyrecki, Gorzowksi und Strzelecko-Drezdenecki sowie das Miasto Gorzow Wielkopolski.
Ausgehend von einer Darstellung der Charakteristika von Grenzräumen und den dadurch bedingten Herausforderungen zur Sicherung der Daseinsvorsorge sowie einer Betrachtung des Themas erarbeiteten die Studierenden eine Strukturanalyse der Euroregion Pro Europa Viadrina. Neben der Raum- und Siedlungsstruktur sowie der demografischen Situation wurde das Themenfeld Mobilität analysiert. Individual- und öffentlicher Verkehr sowie vorhandene Ansätze zur Intermodalität wurden dazu hinsichtlich ihrer Ursache (z.B. Pendlerströme, Erreichbarkeit Zentraler Orte) und ihres Angebots auch im grenzübergreifenden Kontext betrachtet.
Zur ergänzenden vor-Ort-Analyse fand eine fünf-tägige Exkursion statt: Vom Ausgangspunkt Frankfurt (Oder) wurden dabei Ziele auf deutscher und polnischer Seite der Euroregion angesteuert und gleichzeitig das Mobilitätsangebot vor Ort getestet. Neben Expertengesprächen mit Akteuren der Euroregion und politischen Entscheidungsträgern lernten die Studierenden die Eigen- und Besonderheiten der Grenzregion kennen.
Auf Grundlage der Strukturanalyse unter Rückkopplung der vor Ort gesammelten Erfahrungen erarbeiteten die Studierenden eine mobilitätspezifische Stärken-Schwächen-Analyse für die Euroregion. Daraus entwickelten sie ein Leitbild mit Entwicklungszielen und Maßnahmen als Bausteine des Entwicklungskonzepts. Das Leitbild „VIA(DRINA) CONJUNCTA – intermodale Mobilität als Teil der Daseinsvorsorge in der Euroregion Viadrina nachhaltig entwickeln“ zielt zum einen auf eine übergeordnete Verknüpfung des polyzentrischen Städtenetzes und den Abbau grenzüberschreitender Barrieren. Zum anderen wird eine flächendeckende Verknüpfung der Wege und Verkehrsmodi in der gesamten Euroregion angestrebt.
Das umfassende Maßnahmenkonzept enthält neben Maßnahmen zum Ausbau bestehender und der Reaktivierung stillgelegter Bahnstrecken unter anderem Ideen zur Etablierung eines Mobility-Hub-Netzwerks und der Förderung von Sharing-Angeboten. Essenziell ist dabei ein leistungsfähiges Schienennetz auf den Hauptverbindungsachsen, das durch Zubringersysteme und neue Mobilitätsangebote eine flächendeckende Erreichbarkeit gewährleistet. Hierzu soll ein integrierter Taktfahrplan für den SPNV in der Euroregion entwickelt werden. Im Hinblick auf den Abbau grenzüberschreitender Barrieren empfehlenden die Studierenden die Prüfung der Einführung eines einheitlichen Tarifs und die Umsetzung der Bilingualität in den Mobilitätsangeboten.
Das Bachelorprojekt im Sommersemester 2022 wurde in Kooperation mit dem Fachgebiet Internationale Planungssysteme unter Betreuung von Dr.-Ing. Swantje Grotheer, M.Sc. Tobias Weber und M.Sc. Jonas Pauly durchgeführt.